Philosophie-Olympiade

24. April 2010
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 Direktor Kopeszki gratuliert den erfolgreichen Teilnehmern der Philosophie-Olympiade.
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Lesen Sie die philosophischen Betrachtungen der beiden Olympiade Teilnehmer Stefan Steinbrecher und Marco Masoner über das Thema:
„Der Mensch ist dazu verurteilt, frei zu sein.“
(Jean-Paul Sartre)
 
 
„Der Mensch ist dazu verurteilt, frei zu sein.“
(Jean-Paul Sartre)
 
Schon Immanuel Kant hielt fest, dass der Mensch, im Gegensatz zum Tier, mit Vernunft und Pflichtbewusstsein fähig ist, sein Leben selbst zu bestimmen.
 
Wenn wir in die Vergangenheit zurückblicken und uns einige herausragende Ereignisse vorstellen, werden wir zu einer Erkenntnis kommen. Seit Anbeginn der Zeit werden Schlachten, Kriege und Revolutionen im Namen der Freiheit gefochten. Die Menschen träumen von einer besseren Zukunft, haben die Vision, eines Tages den Ketten der Unterdrückung zu entkommen und ihre selbstständigen Entscheidungen treffen zu können, um ihr Schicksal in ihre eigenen Hände zu nehmen. Mit Gott und dem Recht an ihrer Seite verfolgen sie das löbliche Ziel, eine bessere Welt zu erschaffen. Wäre Jean-Paul Sartre ein Anhänger dieser Bewegung gewesen? Warum für Freiheit kämpfen, wenn es sich wie eine Strafe anhört? Jedoch war Jean-Paul Sartre ein Mann, der in seinem Leben oft für die Rechte der Menschen gekämpft hat. Was will er uns mit diesem widersprüchlichen Zitat sagen?
 
Jeder Mensch könnte uns sagen, warum wir frei sein sollten. Wer aber sieht einen Vorteil darin, ohne Freiheit zu leben? Hat Gott uns den freien Willen gegeben, um selbstständige Handlungen zu unterlassen? Im Schöpfungsbericht im Buch Genesis haben Adam und Eva einen freien Willen und sind an nur ein Verbot gebunden. Jedoch verführt sie eine Schlange dazu, dies zu missachten und die verbotene Frucht zu essen. In der Theologie ist von der Verführung des Menschen durch den Teufel die Rede. Die christliche Religion spricht von Erbsünde. Aber Jesus Christus ist für unsere Sünden auf dem Kreuz gestorben. Also ist unsere Seele bei unserer Geburt frei von Sünde und Makel. Jedoch verführt uns der Teufel zu verbotenen, unheilvollen Taten, die man Sünde nennt. Viele bekannte Philosophen glauben, dass der Teufel ein Teil von uns ist, ein Teil unserer Seele, unseres Selbst. Ist dies unser Schicksal? Sind wir dazu verurteilt frei zu sein und falsche Entscheidungen zu treffen, die uns von Gott in seiner unendlichen Liebe vergeben werden? Hat uns Gott zur Freiheit verurteilt, als er uns aus dem Paradies warf?
 
Der Begriff der Freiheit entwickelte sich in einer Zeit, wo Menschen ihre geistigen Grenzen überwanden und mit Logik und Verstand ihre eigenen Weltanschauungen zu hinterfragen begannen. Mit dem unstillbaren Durst befallen, Antworten auf die Rätsel zu finden, die das Leben birgt, machen sie bei ihrer Suche auch vor fixen Größen nicht Halt. In einer Zeit von solchen gewaltigen Umwälzungen entstand der Begriff der Freiheit, wie wir ihn kennen. Es war das Zeitalter der Aufklärung.
 
Naturwissenschaften, Wirtschaft, Politik und viele andere Themen wurden in der Aufklärung aufgegriffen und deren Bedeutungen neu ausgelegt. Man wollte sich nicht mehr dem Klerus und dem Adel unterwerfen, sondern versuchte neue Wege zu gehen. Das führte in einem europäischen Land zu dem Verlangen nach Unabhängigkeit und Freiheit, das sich in einer Revolution manifestierte. Die erbärmliche finanzielle Lage, gepaart mit der völligen politischen Unterdrückung eskalierte in Frankreich zu einem Aufstand des Volkes. Unter den Idealen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit wollte man sich aus den Klauen des Absolutismus, der politischen Allmacht einer einzelnen Person, lösen und die Macht in die Hand des Volkes legen. Am Ende siegte das Volk und die Bürger erlangten erste Freiheiten, die in den Bürgerrechten Ausdruck fanden. Weder sahen diese Menschen es als Strafe, mehr Verantwortung für die Zukunft ihres Staates zu tragen, noch empfanden sie Wut darüber, ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen zu können.
 
Meiner Meinung nach besitzt der Mensch einen natürlichen Drang zur Freiheit, der einem tiefen innerlichen Bedürfnis entspringt. Er möchte frei sein, da er Angst vor Unterdrückung, Armut und deren Folgen hat. Sein Ziel ist es, sein persönliches Selbst zu entfalten und eine Rolle in der Welt spielen zu können. Er möchte trotz all der Verantwortung und der Konsequenzen, die mit einer falschen Entscheidung einhergehen, frei sein und das Schicksal zukünftiger Generationen mitgestalten. Wie Adam und Eva, die sich aus freiem Willen dazu entschieden das Verbot zu missachten und die verbotene Frucht zu essen.
 
Ich habe aus persönlicher Erfahrung gelernt, was aus einem Menschen wird, wenn er in seiner Freiheit beschränkt wird. Ich war Mitglied der vielleicht besten Fußball-Mannschaft einer Liga. Wir gewannen jedes Spiel, auch wenn es anfangs nicht so aussah oder wir schlecht spielten, wir hatten einfach Spaß und mussten uns an keine Richtlinien halten. Doch im Jahr darauf änderte sich etwas Grundlegendes und zwar bekamen wir einen neuen Trainer. Er war viel professioneller, stellte höhere Anforderungen und begann neue Regeln aufzustellen. Meine Kollegen und ich wurden immer gereizter, weil er von uns Emotionslosigkeit verlangte. Er meinte, dass wir beim Training nicht lachen dürfen und das Leben kein Spaß sei. Wir verloren mit der Zeit die Lust und den Spaß am Spiel und unsere Leistungen wurden schlechter und spiegelten somit die Stimmung in der Mannschaft wider. Schließlich verließen Spieler den Verein nur aufgrund der neu eingeführten Einschränkungen, Regeln und Forderungen des Trainers, welcher anscheinend glaubte, dass Fußball für uns das Wichtigste im Leben zu sein hat.
 
Anhand dieses Beispiels wollte ich aufzeigen, dass zu rigide gesetzte Regeln Menschen und Gruppen ihres Lebenswillens berauben können. Wie kann man sich ein Leben vorstellen, in dem jedes kleinste Detail von Grund auf geplant und bestimmt ist? Man befolgt Regeln, beachtet Gebote und hält sich an Verbote. An die Zukunft müsste man keine Gedanken verschwenden, weil sie klar ersichtlich ist, wie ein Plan, den es zu lesen gilt. Während des gesamten Lebens müsste man keine Angst um die Existenz haben. Dinge wie Liebe, Partnerschaft und Freundschaft kämen um einiges leichter zu stande, weil man sich nicht mehr selber darum kümmern müsste. Alles im Leben würde bestimmt werden. Was würde man fühlen?
 
Der Mensch würde wahnsinnig werden. Er würde nicht die Freiheit besitzen, sich zu verwirklichen. Charakter, Emotionen und Gefühle eines Menschen würden abstumpfen und enormen Schaden davontragen. Man kann einem Menschen das eigenständige Denken und Handeln nicht ersetzen, weil er die Möglichkeit besitzen muss seinen Bedürfnissen nachzugehen. In einem Leben voller Regeln, wo keine Freiheit herrscht, stirbt der Mensch innerlich. Die Freiheitsberaubung oder Versklavung beschädigt die Seele. Durch die vollkommene Beraubung der Kontrolle über seine eigenen Gedanken und Bedürfnisse nimmt man ihm seinen Willen. Er hätte keine Träume oder Sehnsüchte mehr, weil sie nie in Erfüllung gehen werden. Die Freude am Leben würde verloren gehen, weil man keine Chance mehr hat, selber Einfluss darauf zu nehmen. Die einzige mögliche Folge eines Lebens in Sklaverei ist der Tod des Menschen.
 
Ich finde, wir sind zur Freiheit verurteilt, weil wir ohne sie zugrunde gehen würden. Da wir in einem Leben ohne Freiheit unweigerlich Schaden nehmen würden, haben wir nur einen Ausweg. Wir müssen unser Glück versuchen und uns der Herausforderung stellen, unser Leben in die eigene Hand zu nehmen. Mögen unsere Entscheidungen, die wir im Laufe unseres Lebens treffen, noch so dumm oder rücksichtslos sein, so waren es doch unsere eigenen. Sollen die Konsequenzen unserer Taten noch so schrecklich sein, so hat uns niemand gezwungen. Wir haben es in der Hand, was wir aus unserer Freiheit machen. Ob wir nun gute oder schlechte Entscheidungen treffen, solange wir sie ohne Zwang oder Gewalt treffen können, werden wir keinen Schaden nehmen. Meiner Meinung nach will uns Jean-Paul Sartre sagen, dass wir in der Freiheit gefangen sind, weil wir ohne sie Charakter und Körper schädigen. Die Freiheit lädt uns eine große Verantwortung und Bürde auf, denn was in der Welt geschieht, bestimmt die Menschheit. Die Strafe unserer Freiheit besteht darin, keinen anderen Ausweg zu haben. In Sklaverei und Unterdrückung verlieren wir unsere Leben als Individuen und unseren Einfluss auf die Zukunft. Unser Charakter und unsere Seele nehmen zu großen Schaden, als dass man ihn alleine tragen könnte. Deshalb sollten wir akzeptieren, dass wir in Freiheit die Verantwortung für die Zukunft der künftigen Generation tragen und dafür sorgen müssen, dass auch sie ein Leben führen, das sie glücklich machen kann. Wir sollten unser Leben nicht verschwenden und versuchen, aus unserer Welt einen besseren Ort zu machen. Sollte das Ende unseres irdischen Lebens nämlich kommen, können wir an einen kleinen Hoffnungsschimmer glauben, ob es im Christentum das Paradies, im Judentum in seinen Nachkommen weiterzuleben oder im Islam eine Reise in die ewige Glückseligkeit der Seele ist.
 
 
 
 
„Der Mensch ist dazu verurteilt, frei zu sein.“
(Jean-Paul Sartre, Drei Essays. Ist der Existentialismus ein Humanismus, Frankfurt 1979, S.16)
 
Freiheit ist wohl das Gut, das sich die Menschen am meisten wünschen. Die Freiheit zu haben, so zu leben, wie man es sich wünscht; das zu tun, was man für richtig hält und nicht von irgendjemandem – sei es vom Staat, in dem man lebt, oder von den Menschen, die einen umgeben – einen Willen aufgezwungen bekommen; nicht nach dem Willen anderer zu handeln und zu leben.
Die Freiheit, die Jean-Paul Sartre beschreibt, ist nur ein kleiner Teil des gesamten Guts der Freiheit. Er sieht nämlich darin die Möglichkeit für die Menschen, selbst bestimmen zu können, „wer sie sind“.
Grundsätzlich findet nämlich von der Gesellschaft eine Einteilung statt, indem sie sagt „dieser ist ein Feigling“, oder eben „dieser ist ein Held“. Den Menschen, die als Feiglinge geboren werden, wird demzufolge in der Anschauung der Gesellschaft wenig zugetraut. Es wird von ihnen nicht erwartet, dass sie in den Vordergrund treten und ihren Standpunkt vehement verteidigen. Das Gegenteil ist der Fall: es wird vielmehr von ihnen erwartet, dass sie sich still verhalten und bloß nichts tun, das sie gefährden könnte.
Im Gegensatz dazu steht nun der Held. Von ihm wird nun eben das erwartet, was man dem Feigling nicht zutraut. Dieser soll standhaft seine Meinung vertreten und sich für die Schwächeren einsetzen; sie beschützen. Niemand würde ja auch nur im entferntesten annehmen, dass sich ein Held zurückhält oder nachgibt.
Sartre – oder vielmehr der Existenzialismus – sieht das nun als falsch an. Er meint, dass jeder das sein kann, was er für richtig hält: „Es gibt immer eine Möglichkeit für den Feigling, nicht mehr feige zu sein, für den Helden aufzuhören, ein Held zu sein.“
Durch diese Möglichkeit, aus dem Gesellschaftsbild auszubrechen, sich dagegen aufzulehnen, entsteht allerdings ein Nachteil: Dadurch, dass wir nun nicht länger sind, was uns von anderen aufgezwungen wurde bzw. als das wir geboren wurden, sind wir nun für uns selbst verantwortlich; wir können also für das, was wir tun zur Rechenschaft gezogen werden. Dadurch entsteht ein ganz entscheidender Faktor: nämlich die Schuld.
Jeder Fehler, der von uns begangen wird – sei es, wenn wir bei einem Verbrechen lieber „wegschauen“ als einzugreifen – kann uns als Schuld auferlegt werden – wenn wir nun das Beispiel des Verbrechens betrachten: „Wieso hast Du denn nichts getan, Du hättest doch eingreifen können“. Das ist wohl auch der Grund, warum Sartre meint, dass wir „verurteilt“ sind „frei zu sein“. Denn ein weiteres Charakteristikum der Gesellschaft ist, dass sie sich der Schuld am liebsten entziehen will. Es ist schließlich viel einfacher zu sagen: „Tut mir Leid, ich konnte nichts tun, ich bin schließlich von der Gesellschaft als Feigling abgestempelt“, als zuzugeben, dass man eingreifen hätte können und einen deswegen die volle Schuld trifft.
Nun ist aber folgendes zu klären: Haben Sartre und der Existenzialismus Recht? Sind wir frei und damit auch verurteilt, an allem was wir tun, Schuld zu tragen?
Zur Beantwortung dieser Frage kann man direkt ein Beispiel aus der Praxis aufgreifen:
Die Bevölkerung der Erde. Auf den ersten Blick wird man sagen, dass zwar ein Teil der Erdbevölkerung – und dieser ist gar nicht so gering – von einem Regime unterjocht wird und kaum – wenn man als Beispiel China betrachtet – die Freiheit hat, eigenständig zu denken; dafür aber ein anderer Teil – grob gesprochen (!) die westliche Zivilisation – die Freiheit hat, das zu tun, was sie will. Das könnte man als Antwort werten und sagen, dass Sartre im Großen und Ganzen Recht behält, wenn er sagt, dass wir frei sind.
Nun ist diese Antwort doch sehr grob gesprochen, und man sollte einen zweiten Blick auf die Erdbevölkerung werfen. Dann wird sich das vorher gesprochene Urteil von einem „Extrem“ ins andere kehren: Man wird nämlich erkennen, dass wir alle unterjocht werden. Einerseits gilt das für jene Staaten, wie etwa China, die weder Kritik von anderen Regimen noch von der Bevölkerung selbst annehmen und wahrhaben wollen. Im Gegenteil: diese werden härtestens unterdrückt – in Form von Zensur oder in Form von Gefangennahme.
Allerdings findet man eine – obwohl nicht so offensichtliche, aber dennoch genauso harte wenn nicht noch härtere – Form von Unterdrückung. Diese Form der Unterdrückung nennt sich „Wahl“ oder, besser gesagt, „das Wählen“. Was der Bevölkerung von totalitären Regimen an Auswahl fehlt, hat – wieder so grob gesprochen wie vorher – die westliche Bevölkerung – also die Bevölkerung der Demokratien bzw. der „demokratischen Monarchien“ – im Überfluss. Diese Möglichkeit zu wählen erscheint auf den ersten Blick gar nicht so schlecht: Wir müssen uns nicht einen Herrscher aufzwingen lassen, sondern können ihn in Form von Wahlen selbst bestimmen – das dadurch erwählte Staatsoberhaupt spiegelt nun also die „Stimme des Volkes“ wider.
Allerdings ist die „Wahl“ an sich schon eine der grausamsten Erfindungen der Menschheit. Manch einer wird nun sagen, dass das völliger Blödsinn und die Wahl ein Geschenk ist. Es mag schon stimmen, dass dadurch eine „zufällige“ – von der Bevölkerung unerwünschte – Form der Herrscherbestimmung wegfällt, doch nun hat man eben die Wahl zwischen zwei Herrschern. Das mag dann gut für jemanden sein, der die gleichen politischen Ideale wie der(die) „Herrschafts-Kandidat(in)“ verfolgt – das alleine führt allerdings nicht dazu, dass man mit der nun folgenden „Herrschaft“ glücklich ist.
So gab es immer wieder Koalitionen zwischen den Parteien. Was dazu führte, dass die ohnehin schon „unglückliche“ Bevölkerung – wie man aus der niederen Wahlbeteiligung schließen kann – noch unglücklicher wurde, da die bevorzugte regierende Partei nun nicht mehr alleine regierte, sondern eben mit einer – womöglich verhassten – anderen Partei.
Lässt man diesen politischen Aspekt außer Acht, so wird man trotzdem feststellen, dass man sich generell nur mehr entscheiden kann. .Z.B. nutzt man die öffentlichen Verkehrsmittel oder fährt man mit dem Auto/ Motorrad/ Fahrrad (hier sieht man sogar in der Auswahl noch eine weitere Auswahl). Das Problem bei Entscheidungen – bei den meisten zumindest – ist, dass man – egal wie man sich entscheidet – schuldig gemacht werden kann.
Oder zum gleichen Beispiel:
Wähle ich die öffentlichen Verkehrsmittel (hier mit eingeschlossen das Fahrrad), kann mir – vor allem in Zeiten der „Krise“ – vorgeworfen werden, dass ich die Autoindustrie nicht unterstütze und damit den Verlust von Arbeitsplätzen fördere. Wähle ich hingegen Auto oder Motorrad, so wird mir vorgeworfen, dass ich vorsätzlich die Umwelt schädige, indem ich CO2 in die Luft blase – wie alle Welt weiß, in Zeiten der Klimaerwärmung eine Schandtat sondergleichen. Das heißt also, dass ich, obwohl ich nur eine Wahl treffe – und damit alles andere als frei bin, da ich mich schließlich für eine der Alternativen entscheiden muss – schon schuldig gemacht werde.
Wenn wir nun wiederum Sartres Aussage betrachten, so können wir sagen, dass wir zwar schuldig sind bzw. gemacht werden, aber alles andere als „frei“ sind – wenn man auf Sartres Form der Freiheit zurückgreift, in der jeder entscheiden kann, ob er Held oder Feigling ist, erkennt man, dass dies nicht der Fall ist, da wir hier nicht einmal die Entscheidungsmöglichkeit zwischen Held und Feigling haben, sondern, egal wie wir uns entscheiden, schuldig sind. Allerdings stimmt Sartres Satz insofern, als wir verurteilt sind – natürlich nicht frei zu sein, sondern eher schuldig zu sein bzw. wählen zu müssen.
Bevor man zum dritten Blick auf die Bevölkerung ansetzt, sollten zuerst die „Wahl“ bzw. die „Auswahl“ und dann der Begriff der „Schuld“ genauer hinterfragt werden. Die Wahl/Auswahl ist – ganz klar – die Entscheidung zwischen zwei Sachverhalten – besser gesagt „(Auswahl)Möglichkeiten“. Wieso muss man sich überhaupt entscheiden? Betrachtet man nur die „nicht lebensnotwendigen Entscheidungen“, so wird man feststellen, dass sich durch das „Treffen einer Wahl“ Gruppen herausbilden.
Hierzu einige Beispiele: „die Autofahrer“, „die – politisch – Schwarzen“ (Entscheidungen über die Hautfarbe liegen zwar in Form von Operationen im Auswahlbereich des Menschen, aber hier ist die Auswahl der Partner von größerer Bedeutung ), „die Raucher“, „die Heiden“, etc. Findet nun eine Abgrenzung in „Gruppen“ statt, wird der Mensch einerseits seiner Individualität beraubt und andererseits können dadurch leichter gezielte Ausgrenzungen stattfinden.
Betrachtet man diese Eigenschaft der Gruppe – und lässt man das Zugehörigkeitsgefühl außer Acht – so stellt man fest, dass die „Gruppe“ fast durchgehend „schlechte“ Eigenschaften aufweist. Da die Wahl also etwas Schlechtes erzeugt, ist es doch unsinnig sie weiter aufrecht zu erhalten. Wieso tut man es also?
Ein mögliches Motiv wäre eine schlechte Eigenschaft, nämlich die „gezielte Ausgrenzung“. So fällt es nicht nur der Bevölkerung leichter, ein möglicherweise vorschnelles Urteil zu fällen, sondern auch den „Herrschern“. Vielleicht ist das also das grundlegende Motiv: „die gezielte Schuldzuweisung an bestimmte Gruppen“. Blickt man in die Vergangenheit, so wird man feststellen, dass sich dies schon des Öfteren in dieser Form ereignet hat (z. B. Verfolgung der Juden unter dem NS- Regime; Verteufelung von Ungläubigen und Hexenverbrennung; Christenverfolgung; usw. usf.)
Auffällig ist hierbei, dass die Schuld immer einer Minderheit zugewiesen wurde – eigentlich logisch, da es viel einfacher ist, den „Wenigen“ Schuld zuzuweisen und sie dadurch schlecht darzustellen und ihre Verfolgung und Ermordung zu bewirken, als einer großen Masse.
Man kann also sagen, dass die Auswahl eine Gruppenbildung zur Folge hat und die Mitglieder dieser Gruppe dadurch leichter der Schuld bezichtigt werden können.
Da nun die Auswahl „geklärt“ bzw. erklärt ist, möchte ich näher auf die Schuld eingehen. Die Erklärung des Begriffes „Schuld“ (bzw. Schuldigkeit) ist genauso kompliziert wie die Schuld an sich. Aus diesem Grund werde ich die Definition beiseite lassen und gleich den Grund für die Schuld hinterfragen: Wieso muss es Schuld geben? Wir weisen die Schuld für ein unerwünschtes Ereignis entweder anderen Menschen oder einer höheren Macht zu. Der Grund dafür ist einfach: wir wollen uns selbst entweder nicht für das Geschehnis verantwortlich machen, oder es fällt leichter, einem „Dritten“ die Schuld zuzuschreiben. Wenn ein naher Verwandter stirbt, wird oft von gläubigen Menschen gesagt, dass es Gottes Wille war – dadurch wird Gott „schuldig“ gemacht. In diesem Fall ist das Geschehen für die gläubigen Menschen einfacher zu verarbeiten, da sie nun annehmen, der geliebte Mensch sei an einem besseren Ort . Die Schuld dient also zur „Vereinfachung“ (sie macht uns also das Leben einfacher).
Mit diesem Wissen kann man auch die Entstehung der Schuld zurückverfolgen (wir werden wahrscheinlich nie genau sagen können, wann dieses Wort oder seine Bedeutung zum ersten Mal aufgetreten ist, aber rein von der Idee her wäre es möglich – das Prinzip lässt sich dann natürlich auf beliebige andere Situationen anwenden). Der Entstehungszeitpunkt ist also genau dann, als die Menschen sich zum ersten Mal das Leben einfacher machen wollten – was nicht allzu lange nach dem ersten Auftreten des Menschen auf der Erde der Fall gewesen sein dürfte – und für ihre Schuldzuweisungen auch einen entsprechenden Feind – also einen „anders- Denkenden“ – kannten. Da die Schuldzuweisung unser Leben vereinfacht, hat sie sich (bis heute) erhalten (und wird in Zukunft auch noch erhalten bleiben).
Da diese Begriffe nun „geklärt“ bzw. erklärt sind, kann man einen dritten Blick auf die Erdbevölkerung wagen und wird folgendes erkennen: Es ist wahr, dass wir von unseren Herrschern unterdrückt und unserer Freiheit beraubt werden, doch gibt es kein Anzeichen dafür, dass sich die Menschheit gegen ihre Freiheitsberaubung zur Wehr setzt. Man könnte nun fragen: „Was ist denn mit all den Revolutionen?“ Diese Revolutionen hatten jedoch nur eines zur Folge: einen Herrscherwechsel. Mehr Freiheit hatten die Menschen dadurch nie, es war immer nur ein anderer Herrscher bzw. ein Herrschaftssystem, das sie ihrer Freiheit beraubte.
Doch die Menschen scheinen sich damit abgefunden zu haben, ihrer Freiheit beraubt zu werden. Verständlich, da sie sich so nicht schuldig machen. Wer jemand anderem die Schuld zuweist, erleichtert sich dadurch das Leben, weil er sich selbst von der Schuld freispricht. Wenn man sich ein letztes Mal Sartres Satz zuwendet, kann man sagen, dass wir nicht verurteilt sind frei zu sein, sondern, dass wir verurteilt sind, unserer Freiheit beraubt zu werden und damit auch kein Problem haben, da wir so weiterhin die Schuld von uns weisen können.
Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob wir unsere Freiheit wirklich opfern sollten, nur um ein bequemeres (einfacheres) Leben zu haben?